Das natürliche Antidepressivum: Johanniskraut

Heilpflanzen
von
Dipl.-Chem. Michael van den Heuvel
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    Aktualisiert am 21.10.2024

    In Deutschland wurde Johanniskraut zur Heilpflanze des Jahres 2019 gewählt. Ihre Extrakte helfen bei zahlreichen psychosomatischen Beschwerden.

    Seinen Namen bekam das Echte Johanniskraut (Hypericum perforatum) von Johannes dem Täufer, einem Prediger, der um 28 n. Chr. in Galiläa und Judäa gewirkt hat. Ab dem Johannistag, dem 24. Juni, beginnen Johanniskräuter zu blühen. Bei einem Spaziergang in der Natur fällt Hypericum sofort auf.

    Die Pflanze hat leuchtend gelbe Blüten und wächst an sonnigen Standorten. Sie wird bis zu 100 cm hoch. Ihre grünen Laubblätter wirken aufgrund von Öldrüsen wie durchlöchert. Von Juni bis August erscheinen die goldgelben Blüten. Die Blütenblätter sehen wie kleine Windräder aus. Beim Zerreiben färben sich unsere Finger rot, den Hypericin tritt aus. Das Molekül zählt zu den wichtigsten Inhaltsstoffen dieser Heilpflanze. Es erklärt, warum Hypericum perforatum gegen psychosomatische Leiden wirkt. Daneben fanden Chemiker Hyperforin, Flavonoide und Biflavone sowie Gerbstoffe im Pflanzenmaterial.

    Vom Tee zum standardisierten Extrakt

    Die moderne Pharmazie greift hier auf traditionelles naturheilkundliches Wissen zurück. Seit Jahrhunderten arbeiten Gelehrte mit dem Johanniskraut, aus dem Mittelalter sind viele Texte überliefert. Sie empfahlen Tees oder gaben Blüten in pflanzliche Öle. Das klappte mal besser und mal schlechter. Heute wissen wir, dass in vielen Fällen die wirksame Dosis an Inhaltsstoffen nicht erreicht worden ist.

    Hersteller ernten Pflanzenmaterial während der Blütezeit. Anschließend extrahieren sie die Wirkstoffe und bestimmen deren Gehalt. Warum muss das sein? Pflanzen sind keine chemischen Fabriken. Sie haben je nach Wetterlage beispielsweise mehr oder weniger Hypericin in Zellen. Damit Sie sich auf die Wirkung verlassen können, standardisieren Hersteller ihre Extrakte. Unabhängig von den Witterungsbedingungen enthält jede Kapsel die gleiche Menge Hypericin.

    Wirksam bei seelischen Befindlichkeitsstörungen

    Unter diesen Voraussetzungen ist Hypericum perforatum eine wertvolle Heilpflanze. Johanniskraut-Präparate helfen bei leichten bis mittelschweren depressiven Störungen sowie beim „Winterblues“. Daneben lösen sie Angstzustände und mildern nervöse Unruhe.

    Dafür gibt es handfeste Belege. Die Cochrane Collaboration, ein unabhängiges Netz von Forschern und Heilberuflern, hat wissenschaftliche Veröffentlichungen im Jahr 2008 systematisch ausgewertet. Sie fanden heraus, dass Johanniskraut-Extrakte bei Depressionen ähnlich wirksam sind wie Antidepressiva – und das bei deutlich weniger Nebenwirkungen. Zehn Jahre später bestätigten kalifornische Wissenschafter die Ergebnisse auf Basis neuer Studien.

    Wann zum Arzt?

    • Traurigkeit, gedrückte Stimmungslage oder ein Gefühl der Leere.
    • Antriebslosigkeit, Energielosigkeit oder Müdigkeit trotz ausreichender Nachtruhe.
    • Hobbys, Freunde oder sonstige Interessen – nichts macht mehr Freude.
    • Eigene Leistungen, Charaktereigenschaften oder Fähigkeiten werden nur noch negativ bewertet.
    • Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit, Schlafstörungen oder Verdauungsstörungen kommen neu hinzu.

    Geduld ist gefragt

    Die Medikamente eignen sich für Kinder ab zwölf Jahren und für Erwachsene. Pro Tag sollten mindestens 500 mg Johanniskraut-Extrakt eingenommen werden, um Effekte zu erzielen. Die genaue Menge orientiert sich an der Stärke Ihrer Beschwerden, am Alter und an eventuellen Vorerkrankungen. Tipps gibt Ihr Apotheker.

    Grundsätzlich ist Geduld gefragt, denn die Wirkung tritt erst nach zwei bis drei Wochen ein. Manchmal dauert es sogar vier Wochen.

    Wechselwirkungen beachten

    Die meisten Menschen vertragen Johanniskraut-Extrakte gut. Selten kommt es zu Magen-Darm-Beschwerden, zu allergischen Reaktionen oder zu erhöhter Lichtempfindlichkeit der Haut. Wer die Arzneipflanze einnimmt, sollte dennoch auf Sonnenbäder oder auf Besuche im Solarium verzichten. Sprechen Sie Ihren Apotheker außerdem an, falls Sie weitere Medikamente verwenden.

    Inhaltsstoffe des Johanniskrauts aktivieren nämlich in unserer Leber bestimmte Enzyme, die Arzneistoffe abbauen. Plötzlich wirken orale Kontrazeptiva (die „Pille“ zur Empfängnisverhütung) oder Pharmaka zur Behandlung von Blutgerinnungsstörungen, Krebs, Herzerkrankungen u.v.a. nicht mehr richtig.

    Aus der Apotheke oder aus dem Supermarkt?

    Sicher haben Sie auch in Ihrem Supermarkt oder in Ihrer Drogerie Johanniskraut-Präparate gesehen, meist für deutlich weniger Geld. Wo liegt der Unterschied zu Arzneimitteln aus Ihrer Apotheke? Anfang 2018 nahm Ökotest 20 dieser Arzneimittel unter die Lupe. Kein einziges freiverkäufliches Präparat überzeugte, da die Tabletten zu wenig Wirkstoff enthielten. Außerdem fehlten Belege für die Wirksamkeit. Andererseits erhielten fünf apothekenpflichtige Präparate die Note „sehr gut“.

    Einige Jahre zuvor hatten Forscher per Analytik herausgefunden, dass Präparate aus Supermärkten und Drogerien teilweise chinesische Johanniskraut-Arten statt Hypericum perforatum enthielten. Hier fehlen Daten zur Wirksamkeit.

    Dipl.-Chem. Michael van den Heuvel
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